Die „einfach Fett-weg-Spritze“:

Zu schön, um wahr zu sein?!

Update 25.6.2023: Nun wird es in Deutschland ernst: In Kürze soll der aus der Diabetes-Therapie stammende Wirkstoff Semaglutid unter dem Handelsnamen Wegovy bzw. Ozempic auch als Abnehmspritze in Deutschland verkauft werden. 

 

In mehrfacher Hinsicht sehen wir das kritisch. Zu den schon vor einiger Zeit weiter unten beschriebenen Bedenken sind aktuell noch zwei weitere gewichtige hinzu gekommen:

 

1. Der Wirkstoff steht im Verdacht, Schilddrüsenkrebs zu verursachen. Das muss aus unserer Sicht dringend vor einer eventuellen Verordnung besprochen werden und in entsprechenden Studien weiter geklärt werden. Bevor dieser ernste Verdacht nicht sicher ausgeschlossen ist, sollte der Wirkstoff unserer Meinung nach nicht als Abnehmhilfe vermarktet werden. 

Den Warnhinweis der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA finden Sie hier.

 

https://www.ema.europa.eu/en/documents/prac-recommendation/prac-recommendations-signals-adopted-11-14-april-2023-prac-meeting_en.pdf

 

2. Der Hersteller wird bezüglich der Vermarktungsstrategie und der Schulungen der Mitarbeiter massiv kritisiert. So berichtet beispielsweise das industrieneutrale Arzneimitteltelegramm aktuell Novo Nordisk ist wegen schwerwiegender Verstöße gegen den Industriekodex, die das Vertrauen in die pharmazeutische Industrie unterminieren können, für zwei Jahre aus dem Verband der britischen Pharmaindustrie (ABPI) ausgeschlossen worden. Auch das -finden wir- sollten Betroffene wissen.

 

An der folgenden bisheringen Einschätzung hat das nichts verbessert!

 

 

 

„Ozempic“ bzw. „Wegovy“ heißt das Medikament, das eigentlich zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entwickelt wurde und aktuell in aller Munde ist. Es ist derzeit nicht lieferbar, weil zunehmend viele normalgewichtige Menschen es für ein bequemes Abnehmmittel halten. Einige Promis wie Elon Musk haben diesen Hype losgetreten. Weil wir in der Praxis zunehmend Fragen dazu gestellt bekommen und die Lage komplex ist, hier eine Einschätzung für Sie:

Vorweg: Wir sehen den Einsatz von Ozempic zur Gewichtsreduktion bei gesunden Menschen aus mehreren Gründen mehr als kritisch.

Zuerst einmal, weil es sich aus gutem Grund um ein verschreibungspflichtiges Medikament handelt. Wäre es harmlos, könnten Sie es in der Apotheke oder sogar im Discounter kaufen. Eine Verschreibungspflicht bei Medikamenten hat Gründe. Mögliche Risiken, Neben- und Wechselwirkungen führen zu einem Beratungsbedarf um Patienten vor Schäden zu bewahren.

Dazu prüfen die Behörden bei einem Medikament vor der Zulassung gründlich, wann und wie ein Medikament eingesetzt werden kann.

Und hier kommen wir zu dem zweiten Punkt: Ozempic ist für diesen Einsatz gar nicht zugelassen. Wenn ein Medikament trotz fehlender Zulassung eingesetzt wird, spricht man von einem sogenannten „off-label-use“. Welche negativen Folgen das für Patienten und Ärzte hat, können Sie in dem verlinkten Wikipedia-Beitrag lesen.

Was uns auch Sorgen bereitet, ist die Langzeitanwendung eines relativ neuen Medikaments ohne richtige Überprüfung in dieser Indikation. Sprich: Es ist nicht mit ein paar Spritzen getan, denn wer nicht an der Ursache des Gewichts arbeitet, wird ein „Ozempic-Abo“ brauchen und es fehlt jede Erfahrung, ob das -gerade bei diesem Einsatz- eine vertretbare lebenslange medizinische Maßnahme ohne Folgeschäden ist. Das ist eine aus unserer Sicht sehr wichtige Frage, die erst geklärt werden müsste, bevor die Spritze unkritisch zum Einsatz kommen kann.

 

Zu viel Gewicht ist nicht direkt Fettleibig

Wer hätte nicht gerne ein paar Kilos weniger? – Zugelassen ist das Medikament aber erst für 

  • Menschen mit einem BMI von mindestens 30 kg/m2 haben oder
  • Menschen, die einen BMI von mindestens 27 kg/m2 haben und unter mindestens einer Folgeerkrankung (etwa Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte und Schlafapnoe) leiden.

 

Weitergehende gute Informationen zum Thema Fettleibigkeit finden Sie hier in Wikipedia.

 

Nebenwirkungen

Über Nebenwirkungen wird wenig gesprochen oder getwittert: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Verstopfungen und Durchfallkönnen so stark ausfallen, dass bei einigen Patienten die Behandlung abgebrochen werden muss.

 

Wofür die „Fett-weg-Spritze“ eigentlich zugelassen ist

Es geht um den Wirkstoff Semaglutid, der in Deutschland unter dem Namen „Ozempic“ zur Behandlung von Typ-2-Diabetes in bestimmten Teilbereichen zugelassen ist. Es wird als Injektionslösung in einer Fertigspritze („Fertigpen“) angeboten und enthält 1 mg des Wirkstoffs Semaglutid. Semaglutid reguliert den Appetit in dem es das Sättigungsgefühl erhöht und so den Hunger reduziert. Es ist bei erwachsenen übergewichtigen Typ-2-Diabetikern zugelassen und zwar zusätzlich zur Diät und zu körperlicher Aktivität für den Einsatz bei dann noch unkontrolliertem Stoffwechselverlauf. – Eine Menge „Wenn-und-Aber“, finden wir. Diese Einschränkungen sollten alle Menschen (wir sagen an dieser Stelle bewusst nicht „Patienten“!) kennen und sich bewusst machen, die über die verlockend klingende Spritze nachdenken.

 

Aktuell berichtet der Hersteller von Lieferproblemen wegen der riesigen Nachfrage von Nicht-Diabetikern. Somit spricht ein weiterer Punkt gegen den Einsatz als „Fett-Weg-Spritze“: Patienten, die auf das Medikament angewiesen sind und für die es eigentlich entwickelt und zugelassen wurde, kommen nicht mehr an ihr Medikament. 

 

Neu ist, dass der Wirkstoff nun wie in Amerika auch in höherer Dosierung unter dem Handelsnamen Wegovy in der EU zugelassen, aber hier noch nicht auf dem Markt erhältlich ist. Es ist vorgesehen für erwachsene Patientinnen und Patienten mit einem sogenannten Body-Mass-Index („BMI“) über 27, bei denen mindestens eine Begleiterkrankung vorliegt, die mit dem Übergewicht in Zusammenhang steht, wie z. B. Prädiabetes, Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörung, obstruktive Schlafapnoe oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck. Es wird mit einer Diät und einem Bewegungsprogramm kombiniert. 

Viele Menschen, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind, erwarten das Mittel sehnsüchtig. Aus unserer Sicht auch, weil die mediale Berichterstattung es so darstellt, dass die „Fett-Weg-Spritze“ eine einfache und bequeme Lösung zur Gewichtsreduktion darstellt. 

Die Herstellerfirma Novo Nordisk gibt an, an der Markteinführung von Wegovy mit Hochdruck zu arbeiten. 
 

Warum die „Fett-weg-Spritze“ aktuell DER Hype ist

Elon Musk propagierte kürzlich per Twitter, zu fasten und Semaglutid zu nehmen. Nicht zuletzt wegen solcher (verkürzter) Äußerungen von Prominenten ist das Mittel in den USA bei Normalgewichtigen mit Abnehmwunsch sehr trendy und das macht sich auch in Deutschland immer mehr bemerkbar.

Auch unsere Patienten setzen die Hoffnung auf eine elegante Gewichtsreduktion in die Spritze. 

Und tatsächlich könnte Semaglutid in der Behandlung von Adipositas eine gute Option werden und eine operative Magen-Verkleinerung bei Menschen mit Adipositas überflüssig machen, wenn sie laut Zulassung eingesetzt wird. 

Sie warten auf das „Aber“:-) – und genau hier kommt es:

Aus den bisherigen Erfolgen bei starkem Übergewicht zu schließen, dass sie das ideale Abnehmmittel für alle (auch mit leichtem Übergewicht) wäre, ist nämlich falsch. Semaglutid muss gemäß der Zulassung in ein Gesamt-Therapiekonzept eingebettet sein: Dazu gehören eine kalorienreduzierte Ernährung, Bewegung sowie die medizinische Überwachung. Und es sollte den Patientengruppen vorbehalten sein, an denen die Wirksamkeit getestet und belegt wurde. 

 

Außerdem ist unklar, ob ein übergewichtiger, aber nicht adipöser Patient, überhaupt Gewicht verliert. Das wurde bisher nämlich noch gar nicht richtig untersucht. Erst wenn dies plausibel bestätigt ist und wenn dabei sicher keine Schäden für die Patientinnen und Patienten aufgetreten sind, kann man über den Einsatz der „Fett-Weg-Spritze“ bei nicht Adipösen ernsthaft nachdenken.

Denn aktuell ist auch unklar, mit welchen Nebenwirkungen Normalgewichtige rechnen müssen. Übelkeit und Durchfall sind möglich und könnten bei nicht Übergewichtigen möglicherweise stärker ausfallen.

 

Es ist nicht mit einer „Kur“ getan.

Semaglutid ist ein Mittel zur Langzeitanwendung. Auch das ist vielen Interessierten nicht klar. In den Zulassungsstudien spritzten sich die Teilnehmerinnen Semaglutid 68 Wochen lang. Wie der Körper auf eine längere Anwendung reagiert, ist aber offen. Semaglutid wirkt nur so lange, wie es angewandt wird. Wer weiter zu wenig Bewegung und eine ungesunde Ernährung hat, wird nach Therapieende wieder zunehmen. 

Die „Fett-Weg-Spritze forever“?

Ob eine jahrelange Einnahme mehr Nutzen als Schaden bringe, ist bisher auch nicht untersucht. Nach unserer Einschätzung müssen die Betroffenen nach dem Absetzen von Semaglutid damit rechnen, wieder schnell zuzunehmen. Der berühmte „Jo-Jo-Effekt“ ist wahrscheinlich und das Mittel deshalb aus unserer Sicht wirklich keine Wunderwaffe für alle, die ein paar Kilos runter bekommen möchten.

 

Und da wäre zum Schluss noch das Thema Geld: Derzeit werden die Kosten einer Therapie von Übergewicht mit Semaglutid nicht von den Krankenkassen übernommen, weil sie es unter „Lifestyle“ einsortieren. Neben medizinischen Gründen spielt natürlich der aktuelle Hype bei dieser Entscheidung eine Rolle. 

Wegovy ist in den USA für ca. 700 Dollar pro Spritze (!) erhältlich. Somit würde die Behandlung für ein Jahr über 36.000 Dollar kosten. 

Das Firmen einen Wirkstoff bei unterschiedlicher Indikation und in unterschiedlichen Märkten unterschiedlich teuer verkaufen, ist gängige Praxis. 

Wie hoch die Kosten in Deutschland sein werden ist noch nicht bekannt. Vermutlich wird es aber kein „Schnäppchen“. – Ozempic kostet in Deutschland etwa 70 Euro pro Spritze. Damit würden Selbstzahler auf immerhin etwa 3640 Euro jährlich kommen. Lebenslang. 

Sie sehen an diesen Informationen, dass das Leben manchmal komplexer ist, als es ein Tweet erscheinen lässt. Trotzdem der Versuch einer Zusammenfassung:

  • Semaglutid ist in der aktuell verfügbaren Form nur für Einsatzgebiete bei Typ-2-Diabetikern in Kombination mit einer gewichtsreduzierenden Ernährung und Bewegungstherapie zugelassen und erstattungsfähig.
  • Für Menschen, die unter Fettleibigkeit („Adipositas“) leiden, ist es zwar in Deutschland zugelassen, aber (noch) nicht lieferbar. 
  • Es ist keine einfache „Fett-Weg-Spritze“, sondern kann EIN Baustein eingebettet in eine komplexe Lebensumstellung (Ernährung, Bewegung, ...) sein.
  • Semaglutid ist eine kostspielige Dauerbehandlung mit unklaren Langzeitfolgen.
  • Aus den oben genannten verschiedenen Gründen sehen wir den medialen Hype rund um Semaglutid sehr kritisch und sehen einen sehr begrenzten sinnvollen Einsatzbereich.
  • Wir raten daher zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme, wie es um Ihre Ernährung und Bewegung bestellt ist und beraten Sie gerne, wie Sie -auch ohne Semaglutid- Ihren Wunsch nach einem niedrigeren Gewicht erreichen. Das wird wahrscheinlich gesünder, günstiger und nachhaltiger, allerdings vermutlich etwas anstrengender als erwartet...

 

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© Dr. med. Guido Pukies