Shingrix®-Impfung gegen Gürtelrose – warum es kompliziert bleibt (Stand 15.12.2025)
... und warum Shingrix® NICHT die Wunderwaffe gegen Demenz ist (weiter unten)
Gürtelrose ist eine Reaktivierung der Windpockenviren, mit denen sich viele von uns im Kindesalter infiziert haben.
Eine Gürtelrose heilt meist wieder folgenlos ab, kann aber sehr schmerzhaft sein. Und manchmal bleiben anhaltende Nervenschmerzen zurück, die die Lebensqualität deutlich einschränken können.
Um davor zu schützen, gibt es den Impfstoff Shingrix®. Er ist ein sogenannter Totimpfstoff, das heißt: Es werden keine lebenden Viren geimpft.
Was für die Impfung spricht
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt Shingrix®
In diesen Fällen übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten.
In Studien zeigt Shingrix®:
Die Schutzwirkung hält nach heutigem Stand mehrere Jahre an, nimmt aber mit der Zeit etwas ab.
Was die Entscheidung schwierig macht
Ganz einfach ist die Sache trotzdem nicht:
Unsere Haltung in der Praxis Drususallee
Wir sind grundsätzlich für Impfungen, jedoch nicht unkritisch. Das heißt konkret:
Besonders vorsichtig und eher zurückhaltend sind wir deshalb
Hier schauen wir im Einzelfall gemeinsam mit Ihnen:
Wie war Ihr bisheriger Verlauf? Wie hoch ist Ihr persönliches Risiko? Wie wichtig ist Ihnen ein zusätzlicher Schutz – und wie viel Impfreaktion sind Sie bereit in Kauf zu nehmen?
Was heißt das für Sie ganz praktisch?
Wie immer gilt:
Wenn Sie Fragen haben oder merken, dass Sie mit der Entscheidung ringen, sprechen Sie uns bitte an. Wir nehmen uns Zeit für ein ehrliches, verständliches Gespräch.
Ihr Team der Praxis Drususallee
Patienteninformation Schützt die Gürtelrose-Impfung (Shingrix) vor Demenz?
In den Medien klingt es oft so, als gäbe es für alles eine neue, einfache Lösung.
Gerade bei Themen wie Krebs und Demenz sehnen sich alle eine einfache Lösung herbei.
„Gürtelrose-Impfung machen und das Demenzrisiko sinkt massiv.“ Das kann man so glauben, man muss es aber nicht. Denn der wissenschaftliche Stand ist spannender und auch deutlich komplizierter als es
in die Schlagzeile passt.
1) Wofür ist Shingrix sicher sinnvoll?
Shingrix ist eine Impfung gegen Gürtelrose (Herpes zoster). Ziel ist, Gürtelrose und vor allem Komplikationen wie anhaltende Nervenschmerzen (postherpetische Neuralgie) zu verhindern. Dafür ist Shingrix entwickelt, geprüft und empfohlen. In Deutschland empfiehlt die STIKO die Impfung als Standard ab 60 Jahren und bei bestimmten Grunderkrankungen oder Immunschwäche auch früher.
Weil die Verträglichkeit von Shingrix schlechter als die vieler anderer Impfungen ist, bin ich weiterhin ein bisschen zurückhaltender, als zum Beispiel bei Tetanus & Co. - Siehe oben...
2) Woher kommt dann die Demenz-Idee?
Mehrere Studien haben in großen Gesundheitsdatenbanken nachgeschaut, ob geimpfte Menschen später oder seltener eine Demenzdiagnose erhalten als vergleichbare, nicht geimpfte Personen oder als Personen mit anderen Impfungen. In mehreren Auswertungen zeigt sich tatsächlich ein Zusammenhang: Bei Geimpften wird in diesen Daten seltener eine Demenzdiagnose dokumentiert.
Wichtig ist hier das Wort „Zusammenhang“. Das ist nicht automatisch ein Beweis, dass die Impfung Demenz verhindert.
3) Warum ist das nicht so eindeutig, wie es im Fernsehen wirkt?
Der entscheidende Punkt ist die Art der Studien. Das sind meist Beobachtungsstudien, also Rückblicke in Krankenakten oder Abrechnungsdaten. Solche Daten sind für die Versorgung gemacht, nicht dafür, eine Ursachenfrage endgültig zu klären.
Es gibt mehrere typische Stolpersteine:
Viele geimpfte Menschen unterscheiden sich von nicht geimpften Menschen. Sie sind im Durchschnitt oft gesundheitsbewusster, gehen regelmäßiger zur
Vorsorge, achten eher auf Blutdruck, Bewegung, Schlaf und Ernährung. Genau solche Faktoren beeinflussen auch das Demenzrisiko, werden in Routinedaten aber oft nur unvollständig erfasst. Dadurch kann
ein scheinbarer Impfeffekt entstehen, obwohl in Wahrheit ein „Gesundheitsbewusstseins-Effekt“ dahintersteht.
Also sind Sie möglicherweise schon durch das Lesen dieser Info besser geschützt, als Ihre Altersgruppe, weil Sie sich mit Gesundheit beschäftigen. Kein Witz!
Ein zweiter Punkt: In manchen Auswertungen sind die Beobachtungszeiträume zwischen Impf- und Vergleichsgruppe nicht gleich lang. Wenn eine Gruppe deutlich kürzer „nachbeobachtet“ wird, tauchen dort zwangsläufig weniger spätere Diagnosen auf. Das kann Ergebnisse deutlich verzerren. Solche methodischen Diskussionen gibt es in der Fachwelt zu einzelnen Arbeiten auch ausdrücklich.
Und drittens: Der Mechanismus ist nicht gesichert. Es gibt plausible Hypothesen, aber keine eindeutige Erklärung. In einer Arbeit wird sogar diskutiert, ob der Wirkverstärker (Adjuvans) AS01 eine Rolle spielen könnte, weil ähnliche Signale bei einem anderen AS01-haltigen Impfstoff gesehen wurden. Das ist interessant, aber es ist noch keine gesicherte Ursache.
4) Gibt es überhaupt „stärkere“ Hinweise?
Ja, aber sie betreffen nicht Shingrix, sondern den früheren Lebendimpfstoff Zostavax, der in vielen Ländern nicht mehr verwendet wird. In Wales gab es eine feste Altersgrenze im Impfprogramm. Dadurch konnte man Menschen knapp unterhalb und knapp oberhalb dieser Grenze vergleichen, die sich in vielen Lebensumständen sehr ähnlich sind. In dieser Analyse zeigte sich über 7 Jahre eine absolute Abnahme neuer Demenzdiagnosen um etwa 3,5 Prozentpunkte, das entspricht ungefähr 20 Prozent relativ. Das ist methodisch robuster als viele andere Beobachtungsstudien, aber auch das ist noch keine randomisierte Studie.
5) Was heißt das für Ihre Entscheidung?
Shingrix ist keine „Demenzschutzimpfung“. Nach heutigem Stand sollte man Shingrix nicht primär mit dem Versprechen „Demenzprophylaxe“ begründen.
Gleichzeitig gilt: Wenn Sie zur empfohlenen Zielgruppe gehören, ist die Impfung gegen Gürtelrose medizinisch sinnvoll. Wenn sich in Zukunft zusätzlich ein echter Demenzschutz bestätigen sollte, wäre das ein erfreulicher Zusatznutzen. Im Moment ist das aber eine Hoffnung auf Basis von Beobachtungsdaten, kein gesichertes Versprechen.
Wenn Sie nicht zur empfohlenen Zielgruppe gehören und die Impfung ausschließlich wegen „Demenzschutz“ erwägen, ist eine nüchterne Abwägung wichtig. Sprechen Sie das bitte in Ruhe in der Sprechstunde an, damit wir Nutzen, persönliche Risikofaktoren und mögliche Nebenwirkungen gemeinsam einordnen.
6) Was schützt nachweislich eher vor Demenz?
Wenn Sie wirklich aktiv etwas für Ihr Gehirn tun möchten, gibt es Maßnahmen mit deutlich besserer Datenlage:
gute Blutdruckeinstellung,
Bewegung,
Nichtrauchen,
Behandlung von Diabetes und Fettstoffwechselstörungen,
ausreichend Schlaf,
Behandlung von Hörminderung (zum Beispiel Hörgeräte),
soziale Aktivität und geistige Anregung.
Diese Bausteine ersetzen keine Impfung, sind aber für die Demenzrisiken klarer belegt als die aktuelle „Shingrix-Demenz“-Erzählung.